Nordstern
Vorab: was ich bei Farthest Frontier schätze, ist, dass man am Anfang auch einen "Pazifismus-Modus" anstellen, und damit komplett friedlich spielen kann, und die Plündererstärke wiederum drei Stufen hat. Man kann also für sich persönlich einstellen, wie fordernd der "Survival"-Aspekt sein soll.
Und ja, natürlich gibt es Mauern, und gerade das freie, rasterlose Setzen von Objekten macht es auch möglich, dass diese nicht notwendig quadratisch aussieht, sondern die Stadt damit auch einen ästhetischen Schliff gibt. Dazu sei gesagt: neben den klassischen Steinmauern gibt es auch Palisaden sowie Gehege in Stein und Holz, mit denen man die Felder und die eigenen Leute vor wilden Tieren schützen kann, die ebenfalls eine Bedrohung sind (auch das: frei nach Wunsch justierbar, wie gefährlich die sind).
Die Plünderungen können sehr fordernd sein, sie orientieren sich stets nach deiner Bevölkerungszahl. Ich hatte gestern ein neues Spiel gestartet und die Plünderer unterschätzt, da ich dachte, mit denen kam ich früher zurecht. Falsch gedacht. Das Ergebnis: geplüdnerte Waren, ein zerstörtes Gebäude, aber am schlimmsten: 9 getötete Dorbewohner von circa 100. Das ist ein schwerer Verlust. Türme (anfangs aus Holz, später aus Stein) erleichtern die Kontrolle, die übrigens auf Anhöhen einen spürbar höheren Effekt als auf dem Flachland haben. Es gibt auch Barracken, um Soldaten auszubilden, aber die Eisenrüstungen sind teuer bzw. wegen der manchmal kargen Rohstoffe gar nicht so einfach herzustellen und müssen für teures Geld erworben werden.
Dabei sei gesagt: das ist alles noch EA, insofern gibt es bei den Plünderungen teils auch noch Probleme beim Verhalten. Meistens sind die noch nicht so helle. Daher auch die von dir gesehenen, höchstens zwei Barracken, die auch bei 300 Einwohnern ausreichen. Da das als Endgame-Content gilt, wird die Entwicklung da noch etwas warten. Es gibt derzeit noch einige drängendere ökonomische Probleme. 
Die viel größere Bedrohung für deine Siedlung - neben Epidemien, die, sollten sie stark grassieren, eine richtige Existenzbedrohung sein können - ist natürlich die Nahrungsmittelknappheit. Ja, anfangs sind circa drei Monate Vorrat, bei dem drei Monate Lebensmittel verrotten, leider keine Seltenheit. Aber keine Sorge: im Mittelspiel gibt es so viele Möglichkeiten der Konservierungen, dass sechs Monate Konservierungen normaler werden, etwa, weil du deine Lagermöglichkeiten verbesserst, wie durch den Fassbau oder - später - die langfristige Einlageurng von Obst und Gemüse in Gläser. Anfangs sind es vor allem Räucherfleisch und Räucherfisch, die lange haltbar sind. Ach ja: Getreide hält in einem Konrspeicher extrem lange, Mehl auch ganz gut, aber Brot wiederum kaum. Heißt: anders als in anderen Spielen ist Brot nicht der "Ausweg". Du wirfst stattdessen die Mühle und die Bäckerei an, wenn du siehst, dass es einen Engpass gibt. Das musste ich auch lernen.
Aber wie gesagt: das Spiel ist ja noch nicht fertig. Ich kenne die von dir erwähnten Spiele natürlich, aber nach 15 Stunden Spielzeit kann ich nur sagen: da ist etwas Gutes in der Mache, mal sehen, wie es am Ende ausschaut. Wenn dich die Plünderungen interessieren, würde ich daher auch sagen: abwarten, die müssen noch ihren Schliff erhalten.
Ich möchte darauf hinweisen, dass einer der stärksten Teile von FF die Landwirtschaft ist. Die Details, die es da gibt, habe ich bisher in keinem Aufbauspiel erlebt. Du wählst nicht nur die Ackerfrüchte aus, sondern du betreibst eine Dreifelderwirtschaft und musst demnach auch die richtigen Früchte auswählen, damit der Boden nicht über Dauer an Fruchtbarkeit verliert oder von Unkraut überwuchert wird. Mit Sand und Ton lässt sich zusätzlich das Verhältnis für bestimmte Ackerfrüchte verbessern, manche sind in kalten, manche in warmen Jahreszeiten schlecht, etc.
Ich hatte dieses Review schon woanders geschrieben, ich zitiere es aber noch einmal:
Quote
Ich habe mir gestern aus einer Laune an einem Ausgleichtag "Farthest Frontier" zugelegt. Seit schlechten Erfahrungen mache ich eigentlich einen weiten Bogen um Early Acess Titel, aber ich war dann von einem Let's Play so überzeugt, dass ich es mir mal eben gönnte.
Und was soll ich sagen: positiv überrascht. Nicht uninteressante Mischung aus Elementen von Siedler, Anno und RTS-Spielen. Man bekommt in der EA-Version schon so viel geliefert, was man mittlerweile als vollwertig im A-Spiele-Bereich versteht (was nur etwas über den Niedergang des Genres aussagt, mehr nicht). Einige sprechen vom geistigen Banished-Nachfolger, aber deutlich größer und besser.
Ab davon, dass es eine für neuere Titel angenehme Auswahl an Produktionslinien gibt, haben mich einige Details besonders überrascht. So muss man die Fruchtfolge auf den Feldern festlegen, damit diese nicht an Fruchtbarkeit verlieren - also realistische Dreifelderwirtschaft der Vormoderne. Jede Pflanzen hat dabei spezifische Eigenschaften: Karotten und Rüben sind gut in frostigen Monaten, andere besser im Sommer, wieder andere laugen den Boden mehr aus als andere, manches Gemüse gedeiht nur schlecht auf harten Böden, andere sorgen dafür, dass Nitrate im Erdreich bleiben; außerdme spielt das Sand-Ton-Verhältnis im Acker eine Rolle (das man beeinflussen kann). Ach ja: und pflanzliche, tierische wie menschliche Abfälle gedeihen mit der Zeit als Kompost, um die Felder zu verbessern. Das habe ich angesichts des "Casual"-Trends so gar nicht erwartet.
Selbst in späteren Phasen ringt man immer noch darum, für den Winter genügend Vorräte anzulegen, ob aufgrund ausgedörrter Böden, plötzlichen Frühlingsfrostes oder Pflanzenkrankheiten. Das ist fordernd, es macht aber die Welt von FF so glaubwürdig. Neue Bewohner kommen nur, wenn die Zufriedenheit stimmt. Und manchmal sind neue Bürger sogar ein ziemliches Laster, weil man eigentlich endlich an einem "stabilen" Punkt ist, und die Balance dann wieder kaputt.
Der Überlebensaspekt ist dabei deutlich ausgeprägter als bei Anno. Etwa ab dem 7. Jahr kommen Plünderer und stehlen, brandschatzen und morden. Schon davor sind wilde Tiere eine Bedrohung. Später kann man nicht nur Mauern bauen, sondern auch Soldaten ausbilden. Man kann das aber auch alles ausschalten, wenn man friedlich siedeln will. Herausforderungen gibt es da schon genügend, weil die Ressourcne manchmal nur knapp oder weit verteilt sind.
Angenehm fiel mir die Progression im Spiel auf. In letzter Zeit gab es in solchen Spielen viel zu schnelle Erfolge. Hier kann man einem Außenposten wirklich zusehen, wie er über Jahre zu einer prosperierenden Siedlung wächst. Die ersten beiden Jahre sind Beeren und Jagd entscheidend, danach kann man vorsichtig den Ackerbau planen. Jeder Baum, jeder Busch und jeder Stein muss von den Einwohnern erst entfernt werdne, bevor sie dort bauen können. Feldwege anzulegen dauert Zeit, Steinstraßen erst recht. Aber alles hat einen spürbaren Effekt.
Anders als bei anderen Spielen ist Brot keine sichere Bank, weil Weizen ein sensibles Gewächs ist; manchmal muss man das Korn lange einlagern und greift darauf erst zurück, wenn eine Hungersnot droht. Ähnlich wie Anno werden die Bedürfnisse mit der Zeit mehr, und zugleich entwickelt sich auch die Möglichkeiten, insbesondere sensible Nahrungsmittel wie Gemüse und Obst einzulegen und besser zu lagern - nicht nur der normale Verbrauch, sondern auch das Verdorren und Verderben der Nahrungsmittel ist ein Langzeitproblem. Vieles von dem, was man in der Natur im Sommer gefunden hat, ist im Winter schon wieder ungenießbar. Fleisch und Fisch können geräuchert, Beeren und Gemüse als Kompott eingelegt werden - vorausgesetzt, man hat Sand für Gläser ...
Lange Rede kurzer Sinn: spannendes Spiel, vor allem, wenn man daran denkt, dass es noch in der Mache und nicht final ist. Dabei selbstverständlich: sieht auch noch hübsch aus. Das offene Straßenraster und das grundlegende Design gibt einem die Möglichkeit, glaubwürdige Städte zu bauen - es gibt keinen festen historischen Hintergrund, der Baustil weist jedoch deutlich auf die Frühe Neuzeit hin.
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eremit
Das sehe ich etwas differenzierter. Anno1602 und Siedler waren niemals Pazifistenspiele, im Gegenteil. Alle denken an das legendäre Wuselsiedler, dabei war das Vertreiben des Gegners durchweg das Ziel. Und in Anno1602 hat man oft erst sein volles Potenzial entwickelt, wenn man wenigstens einen CG vernichtet hat. "Plünderer und Diebe haben in einem Aufbauspiel nichts verloren"? I beg to differ. In Anno1602 war man häufig selbst mal der Dieb und Plünderer, weil der CG dir die letzte Kakaoinsel gestohlen hat. In einigen Situationen war "Friedliches siedeln" nie optional. Die Frühe Neuzeit war kein Ponyhof. Und wie gesagt: es gibt einen Pazifistenmodus.