Zwanzigster Bericht der "Buen Esperanza". Noch zwei Tage.
Heute morgen kam der Matrose zurück und ich nahm mir Northburgs Bibel vor. Dabei bemerkte ich, dass einige Geschichten im alten Testament angestrichen waren, darunter waren die Arche Noahs, die Heuschreckenplage in Ägypten zur Zeit Moses, die fallenden Mauern von Jericho, die Zerstörung Sodoms, Daniel in der Löwengrube, die Köpfung Holofernes durch Judith und das Bankett des Belsazar mit dem "Mene Tekel" an der Wand. Also sieben Geschichten. Des weiteren fand ich den Spruch unseres Herrn nach seiner Auferstehung: "Noli me Tangere" also "Rühr mich nicht an" durchgestrichen. Ich schloss daraus, dass wir im Steinkreis diese Symbole finden und berühren mussten. Was dann passieren würde, konnte ich mir nicht vorstellen.
Wir suchten also die Geschichten auf den Steinquadern, was sich als recht schwierig erwies, weil von diesen Geschichten immer nur ein Element dargestellt wurde. Zwar fanden wir recht schnell das Bild eines Löwen für die Danielgeschichte, ein Schiff für die Arche, eine brennende Stadt für Sodom und eine Darstellung einer zerstörten Mauer für Jericho. Aber weder eine Heuschrecke noch einen Kopf, geschweige denn die Darstellung eines Festmahles war zu finden. Wir wollten schon unsere Suche abbrechen, als Hans Schenk auf einem Steinquader die Worte "Pa-ssuffdeige-wischduff" fand. Ich fragte, ihn was denn dieses "Pa-ssuff" wäre und er sagte, dass dieser Begriff in der alten Sprache seines Volkes dem "Mene Tekel" entspräche also eine Mahnung zum Maßhalten darstellte.
(Quelle nachträglich eingefügt: Rembrandt: Belsazar's Festmahl. Anm. des Übersetzers)
Nachdem uns also klar war, dass die Geschichten genausogut auch in Form von Rebusrätseln dargestellt worden sein konnten, ließen wir Schenk weiter nach ähnlichen Begriffen suchen. Mit "Esre-schentviech-zeuch" konnte Schenk auch dann bald einen Bezug zur Heuschreckenplage finden. Mir war jedenfalls unklar, was das zu bedeuten hatte, aber ich vertraute dem guten Hans. Zuletzt fand Schenk auch den Bezug zur Köpfungsgeschichte mit "ischdreh-dewersch-ingab". Schenk meinte "Wersching" sei so etwas wie Kopf, ganz sicher sei er sich allerdings nicht, denn die Sprache der alten Mogontiacer hätte sich seitdem sehr geändert und es handele sich eher um Laut- als um Schriftsprache. Ich fand es erstaunlich, dass ein so primitives Volk wie die Mogontiacer überhaupt etwas erfinden konnten und nun deutete Schenk an, sie hätten die Schrift erfunden?
Nachdem wir nun alle sieben Sprüche und Bilder beisammen hatten, berührte ich nacheinander alle, aber nichts passierte, auch nicht, als ich sie in der Reihenfolge der Erwähnung in der Bibel berühren ließ. Erst als ich bei jedem Symbol einen Matrosen postierte und alles gleichzeitig berühren ließ, passierte etwas: Die Symbole leuchteten rot auf und eine der Vertiefungen im Steinkreis füllte sich schnell mit mattem brodelndem hellblauem Wasser. Nachdem erst eine große Fontäne nach oben gespritzt war, beruhigte sich das Wasser aber schnell wieder.
Zuerst waren wir enttäuscht, dass nichts weiteres passierte. Vorsichtshalber ließ ich aber niemandem von diesem seltsamen Wasser trinken oder es berühren. Ich nahm mir deshalb einen Stein und schmiss ihn in das mysteriöse Wasser. Auch jetzt passierte nichts. Gerade als ich überlegte, nicht einen Freiwilligen in das Wasser tauchen zu lassen, verschwand es wieder ganz plötzlich. Auch der Stein war auf dem Boden der Vertiefung nicht zu finden.
Morgen werden wir das Wasser erneut herbeirufen. Dann werde ich selbst in das Wasser eintauchen. ich frage mich, wohin der Stein verschwunden sein könnte?