Nun mal meine Sicht der Sache. Ich war vorher schon passionierter Rollenspieler (auch wenn man WoW nur beschränkt als Rollenspiel schimpfen mag), inklusive Pen&Paper, diversen Brett- und Computerspielen. Bei WoW-Release habe ich mit ein paar Freunden gedacht wir könnten unsere Warcraft 3 Sessions mit unseren Rollenspielen verknüpfen und haben mit WoW angefangen. Studenten, mit Sicherheit keine Deppen.
Vor 4-5 Jahren galten MMORPGs noch als Nischenprodukt, auch wenn WoW schon damals sich sehr von den gängigen Online-RPGs unterschieden hat. Weniger Grind, mehr Story. Jedenfalls für jemanden der vorher schon sehr viel WC3 gespielt hat war das unglaublich Storylastig.
Die monatliche Gebühr finde ich weiterhin für ein Onlinespiel gerechtfertigt und immer noch das bessere Modell als die vor allem im asiatischen Raum verbreiteten Itemshops bei den ganzen Free2Play MMORPGs. Onlinerollenspieler wollen unterhalten werden, das Spiel DARF nie enden. Daher muss ständig weiterentwickelt werden und natürlich ist der Support ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor. Auch wenn viel drüber geschimpft wurde, im Vergleich zu anderen Onlinespielen ist der Support von Blizzard erstklassig. Wie vorher schon gesagt wurde habe ich 4 Jahre lang kaum andere Spiele gekauft und war grundsätzlich recht gut unterhalten, auch im Rückblick. Dafür finde ich den Preis angemessen.
Nachdem ich WoW im ersten Jahr eher wie ein Rollenspiel gespielt habe, entdeckte ich den kompetetiven Gedanken im Spiel und es wurde für mich mehr und mehr eher eine grafisch aufgewertete Excel-Tabelle als ein MMORPG. Ich hatte unglaublich viel Spaß an den Rechenspielchen die dahinter steckten und tauschte mich in Foren mit anderen "Verrückten" aus um tage-/nächtelang Zahlen in Formeln hin- und herzuschieben. Im Endeffekt hat es für einen E-Sports-Wettlauf um die Welt-Top50 gelangt, der für mich recht mühsam war, da ich immer noch eine 40-Stunden Woche Im Beruf und mittlerweile eine Frau/Kind zu versorgen hatte. Aus dem Grund habe ich auch Anfang Juli einen Schlussstrich gezogen und widme mich nun wieder Spielen die eine Pause-Taste besitzen
Wodrauf will ich also hinaus? Ich habe viel Zeit in dem Spiel verbracht und habe um mich herum einiges an Deppen erlebt und auch einiges an Süchtigen. Wenn ich schon von jemandem gesagt bekomme dass er gerade seinen Job GEKÜNDIGT hat, weil er zu wenig Zeit für WoW hatte, da beiß ich mir meinen Schreibtisch durch! Ist übrigens wirklich passiert. Aber immerhin die Ausnahme. Deppen gibt es viele, allerdings in verschiedenen Ausprägungen. Erst einmal lassen viele Spieler besonders in der virtuellen Anonymität ihre soziale Kompetenz vermissen. Für mich ein Hauptaugenmerk für Leute die ich gerne Deppen schimpfe. Andererseits gibt es wirklich verpeilte Leute die einfach nichts auf die Reihe bekommen. Diese sind allerdings mit WoW genauso überfordert wie mit dem Rest ihres Lebens. Leider merkt man WoW nunmal an, dass es (mittlerweile) für Massen entwickelt ist und auch Massen anzieht. Und mit der Quantität kommt halt eben nicht immer nur Qualität.
Als Deppenspiel würde ich WoW nicht bezeichnen. Es hat eine sehr einfache Lernkurve und kann anfangs von vielen eher simpel gestrickten Spielern gespielt werden. Wirklich gut wird man in dem Spiel allerdings nur wenn man sich mit der Materie beschäftigt. Welche Ausprägung man dabei wählt ist egal. Sowohl im mathematisch geprägten PvE-Bereich als auch im Rollenspielbereich haben Deppen kaum eine Chance.
Ich kenne allerdings trotzdem einige, die aus verschiedenen Motivationen heraus WoW als Deppenspiel bezeichnen würden:
- andere Rollenspieler (egal ob MMORPG, Pen&Paper oder offline-Rollenspiele) die sich selber als elitär sehen und für die WoW quasi das Fastfood des Rollenspiels darstellt. Solche Leute prägen Begriffe wie "casual" oder "kiddie". Im Grunde haben sie aber zu 80% nur Angst um ihre Nische. Genau wie Hiphopper oder Metaller sich durch ihre Musik zu identifizieren versuchen, wollen Rollenspieler ebenso unter sich bleiben. Hier drückt "Deppenspiel" einfach ihre elitäre Abgrenzung zum Massenprodukt aus, die nötig wird um sich selber noch als Rollenspieler abgrenzen zu können.
- ehemalige WoW-Spieler die sich durch ihre errungenen virtuellen Erfolge Bestätigung gesucht haben. WoW hat sich weiterentwickelt, spricht nun eine größere Masse an und möchte vom 'Grind' weg. Charakterausstattungen sind für jedermann relativ einfach erreichbar, bis auf wenige Ausnahmen. Dadurch dass mittlerweile jeder diesen Spielern ihre Erfolge streitig machen kann, hat das Spiel für diese an Reiz verloren. Ist aber auch nicht schade drum, weil ich noch nie viel auf Leute gegeben hab die sich durch ihre Pixelpracht definiert haben. Weil das geht meistens mit der oben erwähnten fehlenden sozialen Kompetenz korrespondierend.
- Unwissende. Leute die dieses Spiel noch nie in der Hand hatten, geschweige denn mal angespielt. Sollte man nicht viel drauf geben, hier trifft Stammtisch-Halbwissen auf Medienberichterstattung. Solche Aussagen wie das Zitierte von Hirti sind einfach falsch und bauen Fronten auf wo keine sein müsste. Lässt sich allerdings meist mit einer einfache Diskussion beheben. Vielleicht auch einerseits (zu Recht!) besorgte Eltern und Ehefrauen, andererseits Freunde die merken wie der Kontakt zu Spielern weniger wird. Den Eltern darf gesagt sein, dass es eine hervorragende Parental-Control Einstellung in der Accountverwaltung gibt, den Freunden, dass derjenige seine Freunde schon nicht vernachlässigen wird. Und wenn doch, ists offensichtlich nicht schade drum.
Ist jetzt doch ein wenig lang geworden, ich kann einfach kein kurzes Statement in den Raum werfen, weil das Thema doch ziemlich komplex ist und irgendwie beide Seiten auf ihre Weise Recht haben..