Schwarz
Schwarz. Seine Augen waren vollkommen schwarz. Nicht nur die Pupille, nein, der gesamte Augapfel. Ein Schwarz, so tief und lichtschluckend, wie es eigentlich nicht sein konnte, nicht sein durfte. Genauso wenig wie er selbst sein durfte. Er saß nur da und starrte mich aus diesen kalten, leeren Augen an. Seine komplett schwarze Kleidung stand in krassem Gegensatz zu seiner blassen Haut und den langen, weißen Haaren. Er hatte sich kein Stück verändert, schien nach gut zwanzig Jahren um keinen Tag gealtert.
Es verging eine Ewigkeit, bis er endlich etwas sagte. Er hatte immer noch die gleiche wohlklingende Stimme wie damals.
„Ich bin wieder da.“
Ich entgegnete nichts..
„Ich habe dir gesagt, dass ich zurückkehre.“
Oh ja, das hatte er. Unmissverständlich. Ich konnte immer noch hören, was er vor zwanzig Jahren gesagt hatte, als ich ihn glaubte loswerden zu können.
„Du kannst machen, was du willst. Ich werde immer bei dir sein!“
Immer bei dir sein...
„Ich habe lange gebraucht, um zurückzukehren. Aber... Hier bin ich nun.“
Er lächelte, doch seine Augen drückten keinerlei Emotionen aus.
„Und jetzt?“, fragte er. Sein Lächeln verzog sich zu einem abartigen Grinsen. „Wollen wir vielleicht was spielen, kleiner George?“
Er ging mit ausgestreckten Armen einen Schritt auf mich zu, ich machte einen zurück. So verharrten wir kurz. Jede Sehne meines Körpers war angespannt. Ich zwinkerte.
Und da stand er direkt vor mir.
Ich blickte geradewegs in seine pechschwarzen Augen. Diese dunklen, tiefen Seen in denen ich unterzugehen schien. Seine weiße Hand umfasste meinen Arm fest, doch ich spürte sie gar nicht. Ohne nachzudenken riss ich mich los und rannte, rannte so schnell ich nur konnte. Durch das Zimmer, in den Flur, einfach immer weiter. Obwohl er nur flüsterte hörte ich seine Worte so deutlich, als spräche er direkt in mein Ohr.
„Oh, du willst also Fangen spielen, kleiner George? Na los, lauf, ich werde dich kriegen!“
Ich wagte es nicht, einen Blick nach hinten zu werfen. Stattdessen beschleunigte ich meine Schritte noch.
Endlich hatte ich das Badezimmer am anderen Ende des Ganges erreicht. Ich warf die Tür hinter mir zu und drehte den Schlüssel einmal, zweimal, dreimal im Schloss herum.
Erschöpft sank ich auf dem Boden zusammen. Seine letzten Worte gingen mir durch den Kopf.
Genau dasselbe hatte er schon vor zwanzig Jahren zu mir gesagt.
Ich war sieben Jahre alt als ich ihn das erste Mal sah. Ich saß traurig auf der Treppe zum Haus meiner Eltern und starrte das Gebäude gegenüber an. Seit Stunden schon, wie es mir vorkam. Der Sohn meiner Nachbarn war vor wenigen Tagen gestorben. Billy. Er war mein bester Freund gewesen.
Durch das Fenster seines Zimmer konnte ich erkennen, wie sein Vater mit absolut leerem Gesichtsausdruck Schränke abbaute, Spielsachen in Kisten räumte und Tapeten abriss. Ich konnte es zwar nicht sehen, aber ich wusste, dass seine Mutter alle Fotos ihres Sohnes von den Wänden nahm und aus den Alben entfernte. Schon morgen würde niemand, der dieses Haus betrat mehr erkennen können, dass die beiden jemals ein Kind gehabt hatten.
Ein dicker Kloß steckte in meinem Hals. Durch den Tränenschleier, der sich allmählich vor meinen Augen bildete, konnte ich erkennen, dass Billys Vater mich bemerkt hatte und mir einen ausdruckslosen Blick zuwarf. Ob er wusste, was ich getan hatte?
Ich ließ den Kopf hängen und begann zu weinen. Als ich meine brennenden Augen wieder öffnete, sah ich direkt auf zwei schwarzglänzende Schuhe. Mein Blick wanderte nach oben. Ein hoch gewachsener Mann stand vor mir und hielt mir ein Taschentuch entgegen. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, er stand direkt in der Sonne. Ich riss ihm das Taschentuch wortlos aus der Hand und schnäuzte herzhaft hinein.
Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie er sich neben mich auf die Treppe setzte. Ich betrachtete den Fremden genau. Er war vollkommen schwarz gekleidet. Schwarze Hose, schwarzer Anzug, sogar schwarzes Hemd und schwarze Krawatte. Seine unnatürlich blasse Haut und die langen, weißen Haare hoben sich deutlich von seiner Kleidung ab.
Ich kannte ihn. Ich hatte ihn gestern auf Billys Beerdigung gesehen. Er hatte, etwas abseits stehend, lässig an einen Baum gelehnt, die gesamte Zeremonie beobachtet.
„Es ist eine Schande.“, murmelte er. Seine Stimme war sehr tief und angenehm. Trotzdem schwangen keinerlei Emotionen darin mit.
„Ein so junges Leben von einem Tag auf den anderen ausgelöscht.“
Er schüttelte den Kopf. Dann wand er mir sein Gesicht zu und ich erschrak zutiefst. Es war mir unmöglich, mich von diesem Anblick loszureißen. Er hatte keine Augen! Zumindest dachte ich das im ersten Moment. Doch dann fiel mir auf, dass er sehr wohl Augen hatte. Absolut schwarze, leere Augen. Ich riss mich zusammen. Vielleicht hatte der Mann eine schlimme Krankheit.
„So ähnlich, kleiner George.“, merkte er knapp an. Ich blinzelte verwundert. Hatte ich das laut gesagt?
Während ich mich noch fragte, woher er wusste, was ich gedacht hatte und wichtiger noch: woher er meinen Namen kannte, stand er bereits auf und sprach weiter.
„Es ist nicht wichtig, woher ich deinen Namen kenne. Du hast deinen besten Freund... verloren. Das ist sehr tragisch. Ich werde ihn wohl nicht ersetzen können, aber ich kann es wenigstens versuchen.“
Ich starrte ihn vollkommen perplex an. Was hatte dieser fremde Mann mit mir zu tun, dass er mir über den Tod eines Freundes hinweghelfen wollte? Ob er vielleicht einer dieser bösen Männer war, vor denen meine Mutter mich immer warnte? Die Kinder mit Süßigkeiten locken und dann in ihre Autos zerren? Nein, bestimmt nicht. Der arme Mann war schließlich blind oder zumindest so etwas Ähnliches. Er war wahrscheinlich genauso alleine wie ich.
„Na gut.“, murmelte ich. Es schien ihn nicht zu erstaunen, dass ich so leicht zusagte.
„Wollen wir uns von Billy ablenken? Wollen wir vielleicht was spielen, kleiner George?“
„Wie heißen Sie eigentlich?“
„Ich habe keinen Namen. Und du kannst mich ruhig duzen.“
Ich dachte nach, was mich am besten von meinen düsteren Gedanken ablenken könnte. Noch bevor ich etwas gesagt hatte, sprach der Fremde wieder.
„Oh, du willst also Fangen spielen, kleiner George? Na los, lauf, ich werde dich kriegen!“
So hatte es damals alles angefangen. Wieso war ich nicht misstrauischer gewesen? Wieso hatte ich ihn nicht ignoriert und war ins Haus gerannt?
Ich starrte die Badezimmertür an. Hier fühlte ich mich einigermaßen sicher obwohl ich wusste, dass sie die Tür wohl nicht aufhalten konnte. Dieses Zimmer war nun meine Feste und ich wollte sie mit allem verteidigen, was ich hatte. Ich fühlte mich wie früher, als ich als Kind eine kleine Festung aus allem, was ich finden konnte, gebaut hatte.
Ich war damals acht Jahre alt und verteidigte meine kleine Burg mit Wasserpistole und Holzschwert gegen den schwarzgekleideten Mann, der lächelnd und mit einem Stock bewaffnet versuchte, sie einzunehmen.
Seine Besuche waren in letzter Zeit häufiger geworden. Anfangs kam er einmal in ein, zwei Wochen vorbei um mit mir zu spielen. Mittlerweile war er fast jeden Tag da und blieb auch länger. Meine Eltern wussten nichts von ihm. Ich musste ihm versprechen, ihnen nichts zu sagen. Er versicherte mir immer wieder, dass sie mir nicht erlauben würden, weiter mit ihm zu spielen, da viele Menschen wegen seines Aussehens Angst vor ihm hätten.
Das wollte ich natürlich nicht. Vor allem da ich, je häufiger er mich besuchte, immer weniger an Billy denken musste.
Oder besuchte er mich etwa häufiger, weil ich Billy immer mehr vergaß?
Doch vollkommen hatte ich Billy nicht vergessen. Die Erinnerung belastete mich immer noch sehr, auch wenn ich es nicht mehr zeigte. Aber nun konnte ich aus irgendeinem Grund nicht mehr anders. Ich musste einfach mit jemandem darüber reden, was an jenem schrecklichen Tag passiert war. Mit jemandem, dem ich vertraute.
Ich ließ meine Wasserpistole sinken. Dass das Wasser keinerlei Spuren auf dem Anzug des Weißhaarigen hinterlassen hatte, fiel mir nicht auf.
„Ich muss mal mit dir reden.“, sagte ich.
„Ich weiß, kleiner George.“, entgegnete er und warf den Ast zur Seite. Ich fand mich mittlerweile damit ab, dass er wohl kein normaler Mensch war und alles wusste, was ich dachte. Er setzte sich in den Sand und klopfte neben sich auf den Boden. Ich zögerte kurz. Dann ließ auch ich mich zu Boden sinken.
„Billy ist nicht zufällig von dem Felsen gefallen, weißt du?“, begann ich. „Es war meine Idee, da rauf zu klettern. Er wollte zuerst gar nicht. Er hat gesagt, ich soll allein gehen. Da hab ich ihn Feigling genannt. Wir haben uns gestritten. Er ist wütend geworden. Hat mich zur Seite geschubst und ist losgeklettert. Ich hinterher. Er war zuerst oben. Er hat mich ausgelacht weil ich viel langsamer war als er. Wir haben uns wieder gestritten. Dann haben wir uns gegenseitig rumgeschubst. Ich hab ihm einen kräftigen Stoß verpasst als er an der Kante stand.“
Ich verharrte kurz.
„Er fiel zehn Meter tief, direkt auf den Kopf. Ich habe gedacht, er wäre im Sand gelandet und hätte sich was verstaucht oder so. Aber als ich nachsah, war überall Blut. Überall!“
Der Mann neben mir nickte. „Ich weiß.“
Ich sah ihn mit Tränen in den Augen an. „Was?“
„Ich war dabei.“
Das konnte nicht sein! Wie konnte er dabei gewesen sein? Ich hatte niemanden gesehen, damals, vor zwanzig Jahren. Ich war direkt nach Hause gelaufen und hatte mich weinend an meine Mutter geklammert. Als sie mich endlich soweit beruhigt hatte, dass ich wieder klar denken konnte, erzählte ich ihr, Billy und ich seien ganz vorsichtig auf den Felsen geklettert und oben habe er zu viel rumgezappelt, sei gestolpert und hinunter gefallen.
Ein Geräusch riss mich aus meinen Gedanken. Ich warf wieder einen Blick zur Badezimmertür. Die Klinke bewegte sich. Sie wurde langsam herunter gedrückt. Dann passierte nichts mehr.
Etwas verwundert starrte ich die Tür an. Kein Geräusch. Ich wartete ab, doch es geschah nichts. Diese Stille machte mich nervös.
Mit unsicheren Schritten schlich ich zum Ausgang meiner Badezimmerfestung. Ich legte meine Hand auf die Klinke und atmete tief ein, bevor ich ganz langsam den Schlüssel umdrehte. Noch während der letzten Drehung stieß ich die Tür ruckartig auf.
Er stand im Türrahmen und grinste. Er erinnerte an eine Figur aus einem schlechten Horrorfilm, nur wesentlich beängstigender.
„Jetzt hab ich dich, kleiner George.“
Ich wich zurück. Wie sollte ich hier raus? Wie sollte ich einen Plan fassen, wenn er wusste, was ich dachte? Da tat ich etwas, was er nicht erwartete. Ohne nachzudenken oder das Risiko abzuwägen, schloss ich die Augen und rannte einfach mit dem Ellbogen voran auf ihn zu. Anscheinend war er ausgewichen, denn als ich die Augen wieder öffnete, war ich schon wieder mitten im Flur, ohne einen Widerstand gespürt zu haben.
Ich riss die nächstbeste Tür auf und schlüpfte hindurch. Nun stand ich in der Küche. Etwas ziellos ließ ich meinen Blick durch den Raum wandern, bis er auf den großen, aber leeren Vorratsschrank direkt neben dem Herd fiel. Ich konnte schon seine Schritte auf dem Flur hören, mir blieb keine andere Wahl mehr. Also öffnete ich die Schranktür und schlüpfte hinein. Ob er mich hier finden würde?
Genau dasselbe hatte ich mich schon mal gefragt.
Ich war neun und spielte Verstecken mit ihm. Ich hatte mir eine sehr dunkle Stelle im Wald ausgesucht, da ich dachte, hier könne er mich schwerer finden. Doch nun war ich mir nicht ganz sicher. Ich sah ihn aus meinem Versteck, einem großen Gebüsch immer wieder hin- und hergehen, hinter Bäume spähen und in kleine Höhlen lugen.
Plötzlich peitschte das Geräusch eines zerbrechenden Zweiges unheimlich laut durch die Stille des Waldes. Ein Tier? Noch bevor ich mich umdrehen konnte um nachzusehen, hatte mich eine große, starke Hand im Nacken gepackt und hochgerissen. Ich wurde kurz gewürgt und dann auf den Boden geworfen. Als ich mich schwer atmend aufrichtete, erkannte ich den Angreifer. Es war Billys Vater.
Ich hatte ihn die letzten vier Jahre kaum gesehen. Er hatte deutlich zugenommen und dunkle Ringe waren unter seinen Augen zu erkennen. Und sein Gesicht strahlte keine Freundlichkeit mehr aus, wie vor Billys Tod. Auch keine Hoffnungslosigkeit wie kurz danach. Reiner Hass flammte in seinen Augen.
„Du kleiner Bastard!“, schnaubte er und riss mich am Kragen hoch. Er schüttelte mich, während er mit hervorquellenden Augen seine Wut herausschrie.
„Ich weiß, was du gemacht hast! Du konntest alle verarschen, aber nicht mich! Ich hab dich mittlerweile durchschaut, Bürschchen.“
Er wollte mich erneut zu Boden werfen. Aber diesmal strauchelte ich nur und kam wieder sicher auf die Beine. Da stand plötzlich mein mysteriöser Freund neben mir. Er schlug Billys Vater zuerst in den Bauch und dann mitten ins Gesicht. Der Mann sank zusammen.
„Danke.“, flüsterte ich.
Doch der Weißhaarige gab sich noch nicht zufrieden. Er trat den am Boden liegenden mehrere Male heftig in die Seite. Ich wollte ihn zuerst davon abhalten, aber auf eine abartige Art und Weise erfreute mich der Anblick. Als er jedoch einen schweren Stein zur Hand nahm und über den Kopf des Mannes hob, schrie ich ihn an: „Nein, tu das nicht!“
Aber da war noch ein Teil in mir, der anders dachte. Warum sollte er nicht?
Kaum war dieser Gedanke gefasst, sauste der Stein herab. Mit einem widerlichen Geräusch traf er auf den Schädel von Billys Vater.
Entsetzt starrte ich auf die Masse, die mal ein menschlicher Kopf gewesen war. Der schwarzgekleidete Mörder sah mich an.
„Es war nötig.“, sagte er. „Er hätte dir etwas antun können. Und wärst du ihm entkommen, hätte er dich verraten.“
Und wieder war da ein Teil in mir, der ihm zustimmte, während der andere Lust hatte, sich zu übergeben.
„Außerdem ist er nun bei Billy.“ Er lachte plötzlich auf. Es war ein kaltes, gefühlloses Lachen. Er streckte mir seine Hände entgegen. „Sieh mal, kleiner George.“
Seine Hände waren vollkommen weiß, wie immer. Kein Tropfen Blut, auch nicht auf seinem Anzug. Doch als ich an mir heruntersah, stellte ich fest, dass ich über und über mit Blut und Dingen, von denen ich nicht wissen wollte, was es war, bedeckt war. War es wirklich so weit gespritzt? Unmöglich!
Er machte einen großen Schritt in meine Richtung. „Niemand muss je erfahren, was wirklich passiert ist.“
Ich schrie. Ich schrie so laut ich konnte und lief einfach los. Ich lief, wie ich noch nie vorher gelaufen war. Zweige peitschten mein Gesicht, Dornen rissen meine Beine und Arme auf, Äste griffen nach mir wie Hände, die mich aufhalten wollten. Doch ich lief einfach weiter. Wie lange oder weit ich gelaufen war, konnte ich später nicht mehr sagen. Aber irgendwann kam ich zu Hause an. Und wieder klammerte ich mich weinend an meine, beim Anblick ihres verstörten, blutüberströmten Kindes, entsetzte Mutter. Und wieder erzählte ich ihr nicht die ganze Wahrheit. Sie erfuhr von mir nur, dass ein unheimlicher, schwarz gekleideter Mann Billys Vater im Wald getötet hatte.
Danach war nichts mehr so wie vorher. Wochenlang kam regelmäßig die Polizei in mein und Billys Haus. Sie befragten Billys Mutter, meine Mutter und natürlich auch mich. Ich hielt mich fast ausschließlich in meinem Zimmer auf, das Haus verließ ich gar nicht mehr und ich sprach nur noch selten.
Traumatisiert, sagten die Spezialisten von der Polizei, die alle meine Lügen anscheinend glaubten. Doch in Wirklichkeit wollte ich ihn nicht wieder treffen. Ich hatte panische Angst vor dem, was er vielleicht als nächstes tun könnte.
Ich versuchte, nicht über das Geschehene nachzudenken. Aber eines Nachts, als ich mich im Bett herumwälzte und nicht einschlafen konnte, weil ich wieder Billy und seinen Vater vor Augen hatte, keimte ein Gedanke in mir auf. Ein Gedanke, für den ich mich selbst hasste. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto glaubwürdiger erschien er mir. Hatten die beiden es vielleicht gar nicht anders verdient? Billy hatte Streit angefangen und auch sein Vater hatte mich bedroht.
In diesem Moment hörte ich eine Stimme: „Genau so ist es, kleiner George.“
Ich sah auf. Und da stand er, am Fußende meines Bettes und blickte auf mich herab.
„Sie hatten es verdient.“
Einen kurzen Moment wollte ich ihm zustimmen. Doch das durfte ich nicht tun, nie mehr! Ich überwand mich und sagte leise aber entschlossen: „Nein!“
Er nickte nur. Unendlich langsam nahm ich meinen Wecker vom Nachttisch und wog ihn in der Hand. Ein sehr schwerer und stabiler Wecker.
„Nein.“, wiederholte ich. Er setzte dazu an, etwas zu sagen. Doch ich warf die Uhr mit aller Kraft, traf aber nicht. Bevor er hätte erwischt werden können, war er verschwunden. Er ging nicht weg, er löste sich auch nicht in Rauch auf oder so etwas ähnliches. Er war einfach nicht mehr da.
Und ich lachte. Mein Wecker zerschellte an der gegenüberliegenden Wand, worauf meine Eltern mit erschrockenen Mienen ins Zimmer gestürzt kamen, aber ich lachte. Lachte über das ganze Gesicht, mit dem ganzen Körper, aus voller Seele. Ich hatte es geschafft, er war endgültig weg. Dachte ich.
Da hörte ich seine Stimme für zwanzig Jahre ein letztes Mal: „Du kannst machen, was du willst. Ich werde immer bei dir sein....
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Fendtionär 936« (30. Juli 2007, 00:54)